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Erfahrungsbericht über eine zahnmedizinische Famulatur in Tonga
von Carolin Wirsching

Nach dem Ende unseres neunten Fachsemesters in Zahnmedizin starteten wir im August 2009 mit Spannung und ein wenig Unsicherheit, was uns wohl auf der anderen Seite der Welt erwarten mag, unsere Reise in die Südsee, genauer gesagt ins Königreich Tonga. Jeder von uns beiden hatte für die dortige Arbeit in der Klinik eine Reisetasche mit zahnmedizinischen Spendenmaterialien, angefangen von Hygieneartikeln wie Desinfektionsmitteln oder Handschuhen bis hin zu verschiedensten Füllungsmaterialien, oder auch dem einfachsten  Instrumentarium für eine zahnärztliche Behandlung im Gepäck.
Die Ankunft in Tonga nach insgesamt etwa 30 Flugstunden war zunächst anders als erwartet. Als erstes mussten wir uns dem Problem der Unterkunftssuche stellen, da wir es im Voraus in Deutschland neben den ganzen anderen Dingen, die es noch zu regeln galt, nicht mehr geschafft hatten, uns um eine Bleibe in der Hauptstadt Nuku´alofa zu kümmern. Nach kurzer Suche fanden wir jedoch ein Guesthouse, das zwar etwas weiter von der Klinik entfernt lag, in dem wir aber herzlich und mit großer Gastfreundschaft aufgenommen wurden. Überhaupt ist uns bereits in unseren ersten Stunden in diesem Land aufgefallen wie aufgeschlossen, hilfsbereit und überaus freundlich die Einheimischen zu uns ´Palangis` (weißen Fremden) waren. Während unserer gesamten Zeit im Königreich Tonga hat uns dieses Entgegenkommen der Tongaer sowohl bei der Arbeit in der Klinik als auch in unserer Freizeit immer wieder beeindruckt.
Nach unserer Ankunft nutzten wir den ersten Tag dazu, uns zunächst in der eher dörflichen Hauptstadt des Königreiches ein wenig zu orientieren, erste Eindrücke dieses doch sehr fremden Landes zu sammeln und den Jetlag wegzustecken (Zeitverschiebung 11 Stunden voraus). Am Morgen des zweiten Tages ging es schließlich mit gemischten Gefühlen und Erwartungen zur Arbeit in die Klinik. Unser Ansprechpartner Dr. Amanaki, mit dem wir auch im Voraus schon viele Dinge über Emailkontakt geregelt hatten, hieß uns herzlich willkommen und gab uns eine kleine Einführung in unser Aufgabenfeld im ´Vaiola Hospital`. Dem restlichen Personal der Zahnmedizinischen Abteilung stellten wir uns selbst vor und wurden dabei von allen mit Freude und Interesse begrüßt. Bei einer kleinen Führung durch die zahnärztlichen Behandlungsräume wurde uns schnell klar, dass der Zustand der Behandlungseinheiten, die vorhandenen Materialien und das Instrumentarium unsere Kreativität bei den Behandlungen und einiges an Geschick fordern würden. Doch wie wir während der ersten Behandlungstage feststellten, kann man Zahnmedizin auch mit den einfachsten Mitteln und für europäische Verhältnisse unter eher fragwürdigen hygienischen Verhältnissen praktizieren. Unsere Aufgabe am Patienten war größtenteils extrem stark zerstörte, kariöse Zähne soweit als möglich mit provisorischen Zementen, oder bestenfalls mit Komposit wiederaufzubauen. Leider blieb allerdings sehr oft als letzte zu verwirklichende Behandlungsmaßnahme nur noch die Extraktion der Zähne übrig. Eine besondere Herausforderung für uns war die Kinderbehandlung, da wir bisher an unserer Uniklinik selbst nur Erwachsene behandeln durften. Das Ausmaß der Zahnzerstörung schon bei den kleinsten Kindern (zwei- bis dreijährige) war wirklich erschreckend und umso sinnvoller erschien uns das ?school-program?, welches auf Tonga von vielen engagierten Ärzten und Schwestern ins Leben gerufen wurde. Jeden Tag startete dazu ein kleines `Zahnmedizinisches Team` von der Klinik aus zu verschiedenen Schulen, die über die ganze Insel verstreut lagen. Jedes Schulkind hatte in der Schule eine Zahnbürste und nachdem wir Zahnpasta an alle ausgegeben hatten wurde gemeinsam die richtige Putztechnik erlernt.

Da die tongaische Bevölkerung größtenteils gutes Englisch spricht, was uns wirklich überraschte, fiel uns die Kommunikation mit den Patienten nicht sonderlich schwer, dennoch lernten wir die gängigsten Aussagen des zahnmedizinischen Wortschatzes, wie ´bolossi` (Zahnbürste), ´faka manga lai` (Mund weit aufmachen), ´anu anu`(ausspucken) und ´mamahi`(Schmerzen) in der Landessprache, worauf wir meist ein erstauntes Lächeln bekamen.
Nach einigen Wochen auf der Hauptinsel traten wir unsere Weiterreise auf die mittlere Inselgruppe Tongas, nach Ha´apai an. Die Klinik auf dieser winzigen Insel war zu unserer Überraschung ein relativ neues Gebäude und so waren auch die Behandlungsräume in besserem Zustand als auf der Hauptinsel. Die Arbeit war prinzipiell die gleiche wie in den Wochen zuvor, allerdings gab es wegen der geringen Bevölkerungsdichte dieser Inselgruppe auch weitaus weniger zu tun. Die Freizeitgestaltung auf Ha´apai fiel uns besonders leicht, denn hier waren traumhafte Südseestrände und atemberaubende Natur direkt vor der Haustüre. Das letzte Ziel unserer Famulatur war die nördlichste Inselgruppe Tongas, Vava´u. Hier erwartete uns ein recht großes Klinikum, dessen komplette zahnmedizinische Abteilung von nur einem einzigen Zahnarzt, Afa, bewältigt wurde. Von morgens um 08:00 Uhr bis 17:00 Uhr standen immer Patienten vor der Türe und sogar nach ?Dienstschluss? klopfte oft der ein oder andere Patient noch bei Afa´s privater Wohnung mit der Bitte um eine Behandlung an. Neben der zahnärztlichen Tätigkeit erledigte Afa auch noch den Job des Zahntechnikers, um Prothesen jeglicher Art herzustellen. Auf den anderen beiden Inselgruppen wurde praktisch keine prothetische Behandlung am Patienten begonnen, da es zum Teil schlicht und ergreifend an den Materialien für die Herstellung der Prothesen fehlte. Deshalb war es nun besonders interessant für uns Afa auch bei seiner Arbeit im Labor über die Schulter zu sehen und zu verstehen wie Prothetik in Tonga aussieht. Neben dem Betrieb in der Klinik wurde auch auf dieser Inselgruppe besonders viel Wert auf das school-program gelegt. Dazu fuhren wir mit dem Boot auch auf die umliegenden Inseln, um selbst dort mit den Kindern arbeiten zu können. Viele der Kinder auf den äußeren Inselgruppen hatten auch nicht die Möglichkeit zur Behandlung in die Klinik zu kommen, weshalb wir mit unserem mitgebrachten Instrumentarium vor der Schule am Strand Zähne extrahierten und den Kindern beizubringen versuchten, warum Zähneputzen so wichtig ist. Auf vielen privaten Feierlichkeiten konnten wir hier in der Freizeit eine Menge aufgeschlossene Einheimische kennen lernen, die uns in der Zeit nach der Klinik die schönsten Ecken von Vava´u zeigten und in denen wir gleichzeitig neue Freunde gefunden hatten. Unsere Zeit auf Tonga war in jeder Hinsicht ein besonderes Erlebnis und wir möchten, selbst wenn es manchmal nicht einfach war, keinen Tag unserer Famulatur missen. Anderen Famulanten können wir ein solches Praktikum nur empfehlen und ihnen viel Spaß dabei wünschen!


Kontaktadresse auf Tonga:

Ministry of Health
P.O.Box 59
Nuku`alofa, TONGA
Phone: (676) 23-200
Fax: (676) 24-210/24291
Principal Dental Officer: Dr. Amanaki Fakakovikaetau

Bei weiteren Fragen wendet Euch bitte an Carolin Wirsching, email: