Foto (23): die 18jährige Kiran, TB-, HIV?-Patientin -
"Du denkst nur 'Scheiße, scheiße, scheiße, warum?.??
Foto (24): ?.und ihr Röntgen-Bild
Die Anamnese verursachte bei mir wieder ein Gefühl des hilflosen Zornes: Ihr Mann hatte sie verlassen, da ihm die TB-Therapie zu teuer geworden war. Da sie sich nicht mehr um ihr ebenfalls TB-krankes 10 Monate altes Kind kümmern konnte, gab sie es zu Nachbarn und suchte Zuflucht bei ihrem Vater.
Dieser setzte sie aber nach kurzer Zeit in ein Taxi und warf sie an irgendeiner anderen Ecke der 15 Millionenmetropole Delhi hinaus.
Was passiert war bevor sie zu uns kam, wissen wir nicht, was mit dem Kind war genauso wenig. War es noch am Leben? War es schon Opfer von Misshandlungen geworden? Hatte man vielleicht Organe entnommen?
Ich frage Tonbaba wie es wäre, das Kind zu finden, zu seiner Mutter zu bringen, und zu therapieren. Er schaute mich nur raurig an, und mein schweitzer Kollege sagte: ?Können wir nicht, wir haben nicht das Geld. Wir können nicht jeden retten.?
Malaria und Montezumas Rache
Dann irgendwann erwischte es mich: Fieber 39.5°C. Ich war vollkommen daneben im Kopf, konnte nicht mehr geradeaus laufen.
Mir gings ganz schön "beschissen", vor allem weil ich ständig ds Gefühl hatte neben mir zu stehen und nicht mehr Herr der Lage zu sein.
Unvorstellbar: Wie musste es dann erst all diesen Menschen gehen, die keine Reisekrankenversicherung in der Tasche hatten, kein Rückflugticket und eigentlich gar keine Chance auf Genesung oder gar ein normales, gutes Leben mit sozialem Rückhalt !!!
Sofort liess ich im nahegelegenen Labor einen Test auf Malaria machen. Das private Labor machte nicht nur einen ?dicken Tropfen?, sondern auch einen ELISA-Test. Am nächsten Morgen erhielt ich die Ergebnisse: negativ! - Alhamdulillah!!!
Diese Region um Delhi ist besonders (wie in allen tropischen Ländern) besonders zur Monsunzeit ?Kampfgebiet? der Anophelesmücke. Zum Glück gibt es hier aber hauptsächlich P.ovale.
Südlich von Mumbai jedoch ist Indien Hochrisikogebiet, und viele Traveller kamen in den letzten Monaten mit Malaria tropica aus Goa zurück.
Ich hatte als stand-by für Delhi ?Malarone? gekauft, und war nun froh, diese nicht schlucken zu müssen.
Ich stopfte ein paar Ibuprofen in mich hinein, und in den nächsten Tagen ging es etwas besser.
Das Fieber verschwand, aber stattdessen kam ein Durchfall vom Feinsten.
Ich begann eifrig Kohletabletten zu mr zu nehmen, die ja die Toxine usw. absorbieren sollen. Gleichzeitig besserte sich auch meine Stuhlfrequenz, sodass ich nicht besonders eingeschränkt war.
Dennoch schwächte mich dieser Durchfall, sodass ich keine großen Reisen mehr in den letzten Tagen unternehmen konnte. Bis zu meinem Abflug blieb die Toilette mein bester Freund.
Foto (25): Abend in Sewa Ashram
Infos zur Klinik, zum Land, zur Anreise & Co.
Die Klinik liegt im Norden des Bundesstaates Delhi an der Grenze zu Haryana. Die nächste Provinzstadt Narela liegt wenige Kilometer entfernt. Delhi ist etwa 30km oder je nach Tageszeit 1-2 Autostunden entfernt.
Die Klinik ist das Herz des Camps. Zu Spitzenzeiten stehen wenigen Mitarbeitern bis über 200 Patienten gegenüber.
Schwerpunkt sind zwar HIV und TB, aber Schwerkranke arme Menschen werden nicht abgewiesen. Dazu zählen auch schwangere schutzlose Frauen, elternlose Kinder, die von der Strasse eingesammelt werden und demente alte Menschen. Allen gemeinsam ist jedoch die existenzielle fundamentale lebensbedrohende Not.
Momentan hat die Klinik 3 Krankenschwestern, eine davon eine jahrelang erfahrende in Sachen Krankenhausmanagement und Ausbildung von Krankenschwestern. Mit ihr und den Langzeit-Volontären/Mitarbeitern wird versucht die Klinik zu einer professionellen Institution umzugestalten. Phasenweise wird die Klinik von Schwerstkranken und Sterbenden regelrecht überschwemmt, sodass ein Arbeiten wie in Europa kaum möglich ist.
Regelmäßig fahren die Mitarbeiter mit den beiden Krankenwagen nach Delhi, um Menschen von der Strasse regelrecht aufzusammeln.
Neben dem ausgebildeten Personal gibt es vor allem angelernte ehemalige Patienten, die ihre Arbeit (Pflege von Schwerstkranken) z.T. ausgezeichnet machen.
Da die diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten sehr begrenzt sind, werden die Patienten zum Labor nach Narela oder in die Krankenhäuser nach Delhi gefahren. Dort brauchen sie immer einen ?Attendant?, da Pflege usw. in Indien anscheinend nicht in den Aufgabenbereich der Krankenschwestern fällt.
Nach dem Krankenhausaufenthalt (die Organisation zahlt dafür) kommen die Patienten wieder zurück ? oder werden direkt ins Krematorium weitergefahren.
Neben dem eigentlichen Camp gibt es direkt anschliessend ein paar Gebäude: Das sogenannte ?Old Men?s House? für überwiegend alte Menschen, und das ?Kid?s House?.
Mögliche Aufgaben und Ansprüche für und an Medizinstudenten
Freiwillige jeder Art, egal ob studiert oder ungelernt, sind willkommen. Medizinstudenten treffen natürlich auf besonders grosses Entgegenkommen.
Die Tätigkeiten sind natürlich völlig anders als bei uns. Es kann sein, dass man verantwortungsvolle Entscheidungen alleine treffen muss, oder auch nur Kleinigkeiten macht.
Man sollte jedoch nicht erwarten, dass man einen Sonderstatus hat,und alle Mitarbeiter nach Anweisungen lechzen. Insgesamt ist man nur ein Teil im großen Ganzen, aber wenn man sich persönlich einbringt, kann man sehr viel machen. Das betrifft medizinische Dinge wie auch nicht-medizinische Themen.
Besonders im medizinischen Bereich muss man äußerst sensibel sein. Man muß die europäischen Standards bzgl. Der Hygiene und der diagnostisch-therapeutischen Möglichkeiten z.T. drastisch nach unten schrauben.
Viele Dinge sind in einem Entwicklungsland wie Indien nicht möglich, und so sollte man lieber schauen, wie die erfahrene Krankenschwester z.B. eine Wunde vollkommen eigenartig versorgt anstatt auf Lehrbuchwissen zu beharren.
Nicht entmutigen lassen sollte man sich, wenn ein Ex-Patient i.v.-Zugänge wie im Schlaf perfekt legen kann, während man das ja auch nicht zum ersten Mal macht, aber trotzdem nur grosse Hämatome produziert J
Man sollte sich auch immer vor Augen halten, dass man nichts verändern kann durch seine kurze Aufenthaltsdauer!
Man wird auch keine spektakulälren Operationen unternehmen können, keine Menschen toll retten können!
Vergessen sollte man auch die deutsche Hierarchie zwischen Krankenschwesten, Ärzten, Ungelernten. Wer am längsten da ist und die meiste Erfahrung hat, dessen Wort hat mehr Gewicht.
Man wird aber immer wieder nach der eigenen Meinung gefragt, ob man es anders machen könnte, was der Student vielleicht weiss!
Allzuleicht kam ich immer wieder in die Denkweise, was man in Deutschland alles machen könnte und würde. Es ist eine wahre Herausforderung, herauszufinden, was man mit den in Indien vorhandenen Möglichkeiten machen kann. Das ist auch irgendwie eine der schwierigsten und spannendsten Sachen in Indien!
Wenn man sich so einfügt, und bestimmte Sachen einfach als gegeben hinnimmt, so kann man unheimlich viel lernen.
Natürlich sollte man sein Wissen auch einbringen, und Ideen entwickeln. So kann man ein fester Bestandteil der Crew werden, und der Aufenthalt wird zu einem wunderbaren Erlebnis!
Ich kann jedem nur ein Erlebnis in so einer Einrichtung empfehlen! Mit etwas Abenteurer-Geist und Neugierde für Neues, Unbekantes und dem Herzen am richtigen Fleck ist man genau richtig bei Sewa Ashram!
Anmerkung:
Der hier widergegebene Bericht spiegelt meine eigenen Erlebnisse und Meinung wider. Natürlich wäre es vermessen zu behaupten, ein Slum stände repräsentativ für ganz Indien. Jedoch wird dem mit offenen Augen Reisenden die extremen Gegensätze auffallen.
Trotzdem sei jeder dazu eingeladen dieses Land unvoreingenommen mit offenen Augen zu entdecken!
Text und Fotos: Martin Wendland, Berlin, 17.09.07