logo4_2
DeutschEnglish
Sonam Norboo Memorial
Governmenthospital, Leh, Ladakh
Ich bin von der Sauberkeit und der guten Arbeitsmoral positiv ueberrascht.

Nach einigen buerokratischen Huerden erhielt ich die Erlaubnis am SNM Hospital zu arbeiten. Weil mir das ganze etwas zu lange ging, hatte ich schon ein paar Tage vor Erteilung dieser Erlaubnis mein Fuss in das Haus gesetzt. Dr. Tashi Mortup, der Chirurg hatte nichts dagegen, wohl aber der kurz vor seiner Pension stehende Medical Superintendant, der aufgrund des laufenden Medical Super-Specialist Camp (siehe unten) sehr angespannt war und mir sogar mit der Polizei droht, dollte ich wieder ohne Erlaubnis bei  den Herzoperationen dabei sein. Zum Glueck konnte ich ihm am Nachmitag endlich die Erlaubnis ueberreichen. Dann war alles in bester Ordnung.
Ich bin aeusserst beeindruckt von der Sauberkeit und der guten Arbeitsmoral der Aerzte und Schwestern. Vor allem, wenn ich an die verherenden Umstaende in Darjeeling vor fuenf Jahren zurueck denke, die sich wohl kaum gebessert haben werden.
Ich arbeite mit Dr. Tashi Mortup Kayser, dem einzigen Allgemeinchirurgen zusammen.

OPD - Out Patients Department (Ambulanz)
Die Arbeitswoche hat sechs Tage, an denen alle OPD von 10 bis 16 Uhr ist. Taeglich werden 30 bis 60 Patienten gesehen. Viele der "Minor Cases" werden von einer Assistenzaerztin gesehen. Die Diagnosen reichen von vielen Humps and Bumps (Seborrhoeische Zysten, Abszessen, Lipomen, pathologischen Lymphknoten), das gesammte Spektrum der Allgemeinchirurgie bis hin zu Speiseroehren-Tumoren.
Kleinere Eingriffe werden taeglich im Minor OT mit mangelhaftem Instrumentarium durchgefuehrt.
Die wichtigsten Untersuchungen, wie ein einfaches Labor, Ultraschall und Roentgen sind schnell verfuegbar. Fuer diese Untersuchungen bezahlen die Patienten 50 Rupies (1 Euro), um von einem Ambulanzarzt geshen zu werden 1 Rupie (2 Euro-Cent). Die stationaere Behandlung, Operationen und notwendige Medikamente sind kostenlos.
Leider sprechen die aller wenigsten Patienten Englisch und mein Ladakhi und Hindi ist noch nicht weit gediehen. Auch ist das Englisch der Schwestern meist rudimentaer so, dass bis auf die Aerzte die Verstaendigung erschwert ist.

OT - Operation Theatre
Montags und Donnerstags ist OP-Tag, an denen wir sehr viele Gallenblasenentfernungen (Steinleiden aufgrund des hohen Buttertee-Konsumes), Versorgung von Leistenbruechen, groessere Wunden nach Verkehrsunfaellen, Blinddarmentfernungen und Sterilisationen beim Mann durchfueren.
Die zwei OP-Saele sind ordenlich ausgestattet: "Nur ein" OP-Tisch, OP-Lampe, elektrisches Koagulationsgeraet, elektrischer Sauger und gute "basic" Anaesthesie mit Halothan, N2O oder i.v.-Narkosen ueberwacht von EKG und Pulsoxymeter aber ohne elektrisches Beatmungsgeraet. Das Instrumentarium ist fuer die Eingriffe ausreichend. Moderne synthetische Nahtmaterialien (von Ethicon in Indien hergestellt) sind vorhanden, aber nicht immer in den gewuenschten Staerken vorhanden. Es wird jedoch bei den meisten Eingriffen aus Kostengruenden die althergebrachte Seide und Katzendarm verwendet.
In der Ecke steht ein oszillierender Ventillator, der die noetige "frische Briese" beisteuert. Haeufig faellt waehrend der OP der Strohm fuer fuenf bis zehn Minuten aus, bis dass der Generator angeworfen ist. Dass heisst, Taschenlampenlicht, keine Koagulation und kein Pulsoxymeter.
Beeindruckt hat mich Dr. Tashis Cholecystectomie via "Mini-Laparatomie" ueber einen 2-3 cm langen Subcostal-Schnitt, die selten laenger als 30 Minuten dauerte.
Die Hygiene fand ich grenzwertig. Zwar werden die Instrumente im Autoklaven sterillisiert, der Intrumentiertisch wird aber nur morgens einmal gerichtet. Die OP-Schwester nimmt hiervon die benoetigten Instrumente waehrend der OP. Dabei kann es schon einmal vorkommen, dass sie mit blutigen Handschuhen ein Instrument anhebt, es dann aber wieder zurueck legt.
Die Instrumente, die waehrend der OP benutzt wurden, werden fuer fuenf bis zehn Minuten in kochendes Wasser gelegt, das bei 3500m ueber dem Meer liegt, keine 100 Grad Celcius hat. Das elektrische Messer mit Kabel, das mit Tesafilm zusammengehalten wird, wird in ein Dessinfektionsbad gelegt und ist selten von der Loesung ganz bedeckt. Laengere Nahtreste werden fuer den naechsten Patienten in die Schale mit Jodloesung gelegt, die fuer das Abwaschen jedes Mal wieder verwendet wird.
Ich denke nicht, dass Infektionen durch diese Hygieneluecken haeufig sind, lege artis ist es aber nicht.

Ward (Station)
Es gibt eine chirurgische Station fuer Frauen und Maenner mit jeweils 30 Betten in einem Saal. Taeglich ist eine kurze Visite.
Was mir auffiel (und mir auch von Touristen berichtet wurde, die aks Patient eine Nacht im Krankenhaus verbringen durften) ist, dass die Bettwaesche nicht taeglich gewechselt wird. Sie hat teilweise Blutflecken. Bei Bedarf werden Patienten von einem Bett in eine anderes, noch warmes verlegt.

Super Specialist Camp
An meinem ersten Arbeitstag war ich total erstaunt, in ein Super Specialist Camp herein zu platzen. In Indien selten, wenn nicht einmalig, wird im SNM Hospital einmal im Jahr ein Camp fuer eine Woche mit zahlreichen Spezialisten aus Delhi abgehalten. Zu dem am Krankenhaus ansaessigen Allgemeinchirurgen, Orthopaeden, Internisten, Gynaekologen, Paediater, HNO- und Augenarzt, Radiologen und Anesthesisten gesellt sich ein Herzthoraxchirurg, Kinderherzchirurg, Onkologen, Urologe, Neurologe, Pulmologe, Kardiologe und weitere.
Dr. Tashi hat in der Sprachstunde von Prof. Sampert, dem Herzchirurgen uebersetzt, da dieser auch kein Ladakhi spricht.
In Ladakh ist eine sehr hohe Zahl von Patienten mit rheumatischen Herzerkrankungen die laut Prof. Sampert durch die mangelde Hygiene und die unzureichende Antibiotikatherapie bei Mandelentzuendungen sowie Angeborene Herzerkrankungen, die oft sehr spaet diagnostiziert werden. Viele Patienten leben sehr abgeschieden in den Bergen und haben kaum Zugang zu medizinischer Hilfe. So werden Beschwerden verschleppt und die wenigsten Kinder werden bei der Einschulung einer medizinischen Untersuchung unterzogen, falls sie ueberhaupt zu Schule gehen.
Prof. Sampert hat unter den oben beschriebenen einfachen Bedingungen eine ganze Reihe Close Mitral Valvotomies (offene herznahe Mitralklappensprengungen) und Unterbindung Persistierender Ductus Arteriosus Botali (Unzureichende Umstellung des ungeborenen Kreislaufes auf die Entfaltung der Lungen) durchgefuehrt.
Dieses Camp geht auf einen Lama zurueck, der nicht nur Meditiert, sonder auch in Aktion tritt. Er ist Parlamentarier und hat vor 25 Jahren angefangen herzkranke Patienten finanziell zu unterstuetzen, damit sie in Delhi behandelt werden konnten. Die Zahl der Nachsorgen ist entsprechend angestiegen, so dass vor 8 Jahren Prof. Sampert erstmal nach Leh kam. Vor drei Jahren hat er angefangen "kleinere" Herzchirugie zu betreiben. Inzwischen begleitet ihn eine ganze Reihe Spezialisten. Trotzdem muessen viele Patienten zum Klappenersatz nach Delhi. Die reinen Behandlungskosten pro Patient der in Delhi behandelten liegen zwischen 50 000 und 150 000 Rupies (1000 bis 3000 Euro), die zum groessten Teil durch das Engagement von Lamagi finanziert werden.

Abschlussbemerkung
Ich bin aeusserst beeindruckt von der Effizienz des Krankenhauses, dem Engagement der Aerzte und der Verwaltung sowie der hingebungsvollen Hilfe von Lamagi fuer seine Mitmenschen. Und vordergruendig alles ohne auslaendische Hilfsorganisationen!!!
Wahrscheinlich ist das SNM Hospital in Leh das beste District Hospital in Indien. Ich denke, dass es viele Gruende gibt, weshalb das der Fall ist. Ladakh ist ein Autonomous Hill State und strebt eine gewisse Unabhaengigkeit an. Somit ist Stolz und Aufrichtigkeit eine treibende Kraft. Auch scheint bakshish (Geldgeschenke) eher verpoehnt zu sein.Fast alle Aerzte sind Ladakhis und sich ihrem Volk verpflichtet.
Fuer mich war dieser Monat ein wahrer eye-opener was ein District Hopital in Indien leisten kann.

Elias, August 2005

Anmerkung fuer Medizinstudenten und Aerzte

Leh ist in den Sommermonaten ein sehr touristischer Ort. So sind im Krankenhaus immer wieder Westler nicht nur als Patienten sondern auch als Aerzte und Studenten.
Die Sprachbariere stellt hier eine groessere Huerde als in anderen Regionen Indiens, in denen ich gearbeitet habe, da die Schwestern hier nicht als Uebersetzer fungieren koenen. Auch haben die Aerzte einen harten Slang, so dass ich als Englaender des oeffteren nachfragen muesste.
Den Aertzten hier ist am ehesten mit Fachaerzten gedient, die den Aerzten waehrend der Hochsaison im Sommer etwas Arbeit abnehmen koennen.
Wer sich hier selbst einbringen moechte stellt sich am besten persoenlich vor oder schreibt an den

Chief Medical Officer
Leh
PIN 194101
Ladakh
Jamu & Kashmir
India

Mann sollte sich aber trotzdem auf eine gewisse buerokratische Rennerei in Leh einstellen, bevor man loslegen kann.

Wunschliste
Was sich die Aerzte hier wuenschen:
  • Einmal-PVC-Intubationstuben in verschiedenen Groessen
  • Nadeln zur Spinal- und Epidural-Anaesthesie
  • Maschienelles Beatmungsgeraet
  • Mikrobiologisches Labor
  • Grosses klinisches Labor
  • Pathologie
  • Computerthomographie

Wer kann hiervon etwas beisteuern? Mail:

SNM Hopsital in Google Earth

Größere Kartenansicht


Eingang zum SNM Hospital


Im OP bei meiner ersten Herz-OP...


... und der ersten Mitralklappensprengung in Ladakh

Kurzfilme einer OP einer Mitralklappensprengung in Leh:
Movie 1 und Movie 2
Die Dateigroesse betraegt jeweils ca. 4 MB, der Download kann entsprechend lange Dauern!